An den verehrten Vogt

    • Offizieller Beitrag

    Eric

    An den verehrten Vogt Theodor von Fürstenfeld


    Euer Hochwohlgeboren,

    mit diesem Schreiben wende ich mich, Pater Kilian, Pfarrer von Dornbach und Abt des hiesigen Klosters, mit einer demütigen Bitte an Euch.


    Vor einigen Tagen schickte ich, wie schon so oft zuvor, die Ordensschwester Elenor aus, um den Zehnt der Dornbacher Dörfer einzusammeln; namentlich Erzlingen, Fiskvik, Süßkreuz und Burg Vyrnheim.


    Wie es der Zufall wollte, waren an diesem Tag auch die Wachen auf Befehl des werten Grafen von Dorne unterwegs, um die Abgaben aus den Dörfern einzutreiben.

    So gesellte sich Schwester Elenor in die Schar der Steuereintreiber, um auf deren Wagen den Kirchenzehnt nach Dornbach zu bringen, anstatt ihn wie die Male zuvor mühsam mit dem Handkarren herbeizuschaffen.


    Nun geschah es aber, dass der Karren auf dem Weg von Erzlingen nach Süßkreuz im Zapfenhain von Räubern überfallen wurde, die aber Gott sei Dank besiegt werden konnten, wenn auch leider nur mit tödlicher Gewalt. Als Schwester Elenor gegen Abend nach Dornbach zurückkehrte, erzählte sie mir, was geschehen war. Was ich aber in keiner Weise begreifen kann, ist, dass Weibel Bogdanski den Kirchenzehnt für sich genommen und an einem nicht näher bezeichneten Ort aufbewahrt hat, anstatt ihn dem Orden zu übergeben. Er schien Schwester Elenor nicht glauben zu wollen, als sie ihm erklärte, dass es sich um den Zehnt des Ordens handelte, und dies, obwohl Schwester Elenor den Wagen mit den Abgaben ebenso wie die übrige Wachmannschaft unter Einsatz ihres Lebens gegen die Räuber verteidigt hatte.


    Was der Orden jedoch statt des ihm zustehenden Zehntes erhielt, war eine Wagenladung verstümmelter Leichen, fünf an der Zahl, die ohne weitere Worte vor den Eingangstüren der Kirche auf geweihtem Klostergelände abgeladen wurden. Allen Leichen fehlte der Kopf, ein grausiger Anblick wohlwahr, und von Schwester Elenor erfuhr ich dass es sich bei den Toten um die Räuber handelte, die zuvor den Wagen überfallen hatten und denen der Kopf vom Rumpf abgetrennt worden war, als sie bereits leblos am Boden lagen. Der Orden kam sofort seiner heiligen Pflicht nach und bestattete die Leichen der enthaupteten Räuber in würdiger Weise, soweit dies bei den zerschundenen Körpern noch möglich war.


    Den schändlichen und gottlosen Umgang mit den Leibern der bereits Verstorbenen möchte ich aber mit diesem Schreiben nur am Rande anprangern.


    Meine demütige Bitte an Euch beschränkt sich vor allem darauf, unserem Orden den konfiszierten Zehnt zurückzugeben, der uns rechtmäßig zusteht. Als Diener des Lichtes unseres Herren Iluminor mögen wir uns an die Tugend der Mäßigung halten und keineswegs eine Forderung an Euch stellen, doch haben wir unser ganzes Leben den heiligen Lehren und dem Dienst an der Gemeinde Dornbach verschrieben und kennen außer dem Zehnt und den Abgaben der Stadthöfe, deren Meier wir sind, keine anderen Einkünfte, mit denen wir unser bescheidenes Dasein bestreiten könnten.


    Ich danke Euch vielmals für Eure Mühen und hoffe voll Ehrfrucht auf Euren gerechten Entscheid,

    ~Vater Kilian


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    Der Mensch leidet nur, weil er ernst nimmt, was die Götter zum Spaß erschaffen haben.

    - Alan Watts

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