*Ein Brief, vollständig auf Soley verfasst in einer gefährlich geneigten, schwungvollen Schrift. Bei genauerem betasten fühlt man, wie sich ein Stift auf diese Seiten durchdrückt. Scheinbar lag dieser Brief eine Zeit lang unter einem entstehenden Bauplan, doch es haben zu wenige Linien durch die Blätter geschafft um etwas sinnhaftes zu ergeben...* RinHeicho
Werte Schwester Elenor
Ich hoffe ihr genießt eure Zeit in Kronburg! Ich selbst war zwar noch nie da, hoffe aber dass ihr viele eurer Eindrücke mit mir teilen werdet, sobald ihr zurück seid. Schließlich wäre es wohl eine Schande, den wuchernden Vorstellungen und Träumereien von der Stadt nicht bald Einhalt zu gebieten!
Es ist sehr ruhig geworden in Dornbach. Langsam kehrt der liebenswerte Alltag in die Stadt zurück, die Lücken füllen sich und die ersten Flaggen wehen wieder Stolz über die Dächer. Sogar die Holzknappheit scheint sich zu legen, nachdem aus den Reihen der Stadtwache fleißige Helfer den Wäldern eine Spende entlocken konnten, zwei neue Sägewerke der Stadt ihren Dienst erweisen und der Weinhändler seine Bestellung über die Hölzer der Taverne der Stadt erlassen hat. Auch bin ich froh, dass endlich das Gewölbe der alten Schmiede kein Problem mehr ist. Es ist mir gelungen den Keller ein stück weit zu erhalten, während darüber endlich die neue Schreinerei entstehen kann! Aber nun schreibe ich Zeile um Zeile über irgendwelche Bauprojekte die euch vermutlich langweilen!
Entgegen eurer Erwartungen hat sich das Kloster noch nicht von Agonie gepeinigt von der Klippe gestürzt. Wie eine müde Katze liegt es dort wo ihr es zurückgelassen habt, sonnt sich bei Nieselregen und wacht über Stadt und Hafen. Als ich vor kurzem einen Spaziergang unternahm habe ich festgestellt, dass es sogar belebter den je scheint! Eichhörnchen auf dem Friedhof, Schwalben unter den Dächern und sogar ein Storch hat sich über den geweihten Hallen niedergelassen! Wie ich denken würde scheint dies ein gutes Ohmen zu sein. Mit etwas Glück kann ich euch sogar das Nest noch Zeigen, ehe ich meinerseits auf meine Studienreise nach Castella aufbreche. Es wäre zu schade wenn man sich verpassen würde! Auf meinem Weg durch die Hallen aus Wörtern, singenden Gärten und die ehrwürdigen Kirchen hoffe ich ein paar dinge zu Finden, die euch und euren Tätigkeiten als Heilerin, Baderin und Ordensschwester hilfreich sein werden.
Bestimmt erinnert ihr euch noch an unser Gespräch auf dem kleinen Balkon meiner Werkstatt? Ihr meintet ja, dass ihr eine große Freundin der Dichtkunst wäret! Als ich mich vor kurzem in guter Gesellschaft wähnte ist mir ein Gedicht eingefallen, welches ich irgendwo aufgeschnappt haben muss. Es lautet wie folgt:
Ein Sperling, jung in Federpracht
sich seinerseits ein Glück erdacht
So schuf aus jedem Lichtelein
ein' jemand der mag sein Schöpfer sein
Doch aller Lichter im tiefen Dunkel
die Sonne ist ein steter Feind
Ist sie doch heller, reiner, greller
als der Lichter schwacher schein
Dem Sperling lehrend die Sonne zeigt
mit ihrem licht sein Glück Ohrfeigt
Der Lichterglanz, des Sperlings Fluch
Sein Glücke nun im dunkeln Sucht
Aller Ordnung Überdruss'
Er gibt sich hin dem falschen Kuss
verdorben, verbrannt, vergoren, verbannt
Der Sperrling für immer fliehen muss
Ich bedaure, das Gedicht ist nicht unbedingt von der erquickenden Sorte, aber ich hoffe dennoch, dass es euch ein kleines Stückchen weiter bringt! Auch wenn die Reise des kleinen Sperlings wohl ohne Licht zu Ende geht.
Ich freue mich schon sehr auf eure Erzählungen, gerne auch erneut auf dem kleinen Balkon! Bis da hin verbleibe ich in Freundschaft, wachsam und wohlwollend.
gezeichnet
K.d.Villeaux
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